Medien-Preis 2016
"Industrie 4.0 ist die digitale Zukunft von Made in Germany"
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die diesjährige Medienpreisverleihung fällt wieder einmal in die Zeit eines großen sportlichen Ereignisses. Diesmal ist es die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Wenn man solche sportlichen Wettbewerbe verfolgt, dann sind es oft kreativ denkende und klug vorausschauende Spieler, die den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage, zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Spieler wie Thomas Müller, der sich selbst einmal – wie ich finde sehr treffend – als „Raumdeuter“ bezeichnet hat. Denn er sieht auf dem Platz freie Räume nicht nur, sondern er erkennt auch intuitiv, welche Möglichkeiten dieser freie Raum bietet und wo er sich deshalb am besten positionieren sollte. Mehr ...
Auszeichnungen für ARTE, ZEIT und Hamburger Abendblatt
2016 hat die Johanna-Quandt-Stiftung drei Preise in den Kategorien Print und Fernsehen vergeben. Sie sind mit insgesamt 50.000 Euro dotiert.
Ulrike Franke und Michael Loeken erhalten den Herbert Quandt Medien-Preis für ihre Langzeitdokumentation „Göttliche Lage – Eine Stadt erfindet sich neu“. Wolfgang Bauer wird für seine Reportage „Ein Prost auf Kim Jong Un“, erschienen im „ZEIT Magazin“, geehrt. Die Redakteurin des Hamburger Abendblatts, Miriam Opresnik, zeichnet die Johanna-Quandt-Stiftung für ihre Reportage-Serie „Mein erster Laden“ aus.
- Laudator Horst von Buttlar (links) und Stefan Quandt (rechts) übergeben Ulrike Franke und Michael Loeken die Urkunden.
Ulrike Franke und Michael Loeken erhalten den Herbert Quandt Medien-Preis für ihre Langzeitdokumentation „Göttliche Lage – Eine Stadt erfindet sich neu“, ausgestrahlt im Dezember 2015 in WDR/ ARTE, dotiert mit einem Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro.
Das Kuratorium würdigt damit eine
„filmisch, erzählerisch und ästhetisch herausragende Dokumentation über die fast unglaubliche Verwandlung eines Dortmunder Stadtteils, der sich vom Stahlstandort zu einer Wohnlandschaft entwickelt“.
Dabei hebt das Kuratorium die besondere Intensität des Films, der über einen Zeitraum von fünf Jahren entstand, hervor:
„Die Perspektivlosigkeit einer Industriebrache wird von einer visionären Stadtentwicklung abgelöst: ‚Göttliche Lage‘ blendet dabei den Veränderungsdruck und die damit verbundenen Verwerfungen nicht aus, sondern zeigt – mit Humor und großer Beobachtungsgabe – die Menschen als Gestalter, aber auch Verlierer dieses Prozesses.“
Zur Website des Films "Göttliche Lage".
- Horst von Buttlar
"Ein göttlicher Film!"
Es gibt viele Geschichten über Strukturwandel – und nicht wenige scheitern. Denn sie verlieren sich gern in Klischees oder auf Metaebenen, auf denen immer gleich die ganze Globalisierung erklärt werden soll. Ulrike Franke und Michael Loeken tappen nicht in diese Falle, denn sie müssen nichts interpretieren oder kommentieren – sie lassen ihre Figuren einfach selbst sprechen. Und so entfaltet ihre Dokumentation eine menschliche Intensität, eine Nähe und Authentizität und Dichte, die fesselt.
Es gibt Szenen und Figuren in diesem Film, die sind einfach zum Niederknien, man möchte gleichzeitig schreien und lachen. Ulrike Franke und Michael Loeken haben ein unfassbares Stück Deutschland eingefangen, rund um ein Stadtentwicklungsprojekt. Über fünf lange Jahre haben sie immer wieder Menschen getroffen und gedreht, sie fangen Träume und Albträume ein, Hoffnungen, Erwartungen, sie treffen Gewinner und Verlierer – und keine einzige Person wird vorgeführt. Sie entfalten sich und leben von allein, und dazu muss man, wie es bei uns heißt, „die Menschen aufschließen können“ und selbst als Reporter unsichtbar werden. Das ist den Preisträgern beeindruckend gelungen.
Was ist Strukturwandel, was ist Stadtentwicklung? Was bedeutet der „Wandel der Industrie- zur Freizeitgesellschaft“ eigentlich? Am Ende des Films weiß man nicht, wo das Idyll genau zu finden ist, obwohl etwas Neues geschaffen wurde. Und trotzdem hat man als Zuschauer viel erfahren, ohne dass einem eine These aufgedrängt wurde.
„Göttliche Lage“ ist über weite Strecken selbst ein göttlicher Film geworden – herzlichen Glückwunsch den beiden Preisträgern.
- Ulrike Franke, Michael Loeken
Lieber Herr Quandt, lieber Herr von Buttlar, liebe Familie Quandt, liebe Kuratoriumsmitglieder und sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns wirklich von Herzen für die Verleihung des diesjährigen Herbert Quandt Medien-Preises für unseren Film „Göttliche Lage“. Und da wir diese Auszeichnung zum zweiten Mal bekommen – den ersten Preis bekamen wir 2008 für unseren Film „Losers und Winners“, auch ein Film, der im Ruhrgebiet spielt –, freuen wir uns natürlich ganz besonders.
Es ist eine sehr, sehr große Ehre für uns.
Ich habe natürlich die Dankesrede vom letzten Mal noch einmal gelesen, damit es nicht zu Überschneidungen kommt (das wäre mir dann peinlich), dennoch ist es eine Tatsache, dass wir die Prinzipien unserer Arbeit, die Zähigkeit, mit der wir an einem Thema bleiben, die Zweifel, die wir haben, die Glücksmomente, die wir erleben – all das ist in den ganzen Jahren Bestandteil unserer Arbeit geblieben.
Ich glaube sagen zu können: Ohne diese Haltung geht es auch gar nicht. Für uns bedeutet die Verleihung des Herbert Quandt Medien-Preises zum zweiten Mal neben der Ehrung für „Göttliche Lage“ auch eine Anerkennung der kontinuierlichen Arbeit am Thema Strukturwandel.
Seit nunmehr zehn Jahren widmen wir uns diesem Thema, genauer gesagt, das Thema auf dem Hintergrund der Ruhrgebietslandschaft hat uns wirklich fest im Griff – weil es interessant ist, weil es spannend ist und wichtig ist. Und wenn man es zulässt, kann es auch unterhaltend sein.
Natürlich verschafft uns dieser großzügig ausgestattete Preis Luft. Dafür sind wir der Johanna-Quandt-Stiftung sehr dankbar. Er hilft uns, weiter an Themen zu arbeiten, neue Filme zu entwickeln und sie wachsen zu lassen.
In unserer Dokumentarfilmarbeit, die viel Geduld, Aufmerksamkeit, Engagement und vor allem viel Zeit erfordert, ist eine solche Unterstützung ein Segen.
Trotz viel Erfolg und Anerkennung ist diese Arbeit immer wieder geprägt von existentiellen Fragen: Wie bekommen wir das nächste Projekt auf den Weg? Wie verschaffe ich mir Zeit, die Themen zu durchdenken und wachsen zu lassen?
Was uns aber besonders glücklich macht, ist die Begründung des Kuratoriums, die der Verleihung zugrunde liegt. Wir als Filmemacher durchwandern beim Filmprojekt eine lange Zeit, die geprägt ist von vielen Höhen, aber auch Tiefen, und wie ich schon sagte, von Glücksmomenten und großen Zweifeln. Wir versuchen, offen zu bleiben für interessante Entwicklungen und nicht vorgefertigte Antworten zu bestätigen, sondern immer Fragen zu stellen. Beim Drehen unserer Filme versuchen wir, unserer Intuition und unseren Gefühlen zu folgen. Und vor allem den Menschen, die bereit sind, am Projekt mitzumachen, gerecht zu werden.
Und auch bei einem ernsten Thema darf Humor nicht fehlen. Es ist uns ein Anliegen, Filme zu drehen, die unterhalten, ohne den Intellekt zu beleidigen. Filme, die den Zuschauer im Herzen treffen und im Kopf erreichen – und darin bleiben. Wenn dann das Kuratorium als besondere Stärke des Films seine Intensität, seine große Beobachtungsgabe und – was uns besonders freut – auch seinen Humor hervorhebt und lobt, dann sind wir auch ein bisschen stolz und geben gerne zu: Wir hoffen auf diese Anerkennung und das Verständnis unserer Arbeit, wir wünschen es uns, aber wir kalkulieren es nicht. Und jetzt würde ich gerne an meine Frau übergeben.
Ich möchte mich gerne den Worten meines Mannes anschließen und – wie es bei unserer Arbeitsweise auch üblich ist – noch ein paar Dinge ergänzen und – was vielleicht auch typisch ist – somit das letzte Wort haben.
Die Verleihung des Preises verstehen wir als eine Ehrung und Anerkennung unserer gemeinsamen Arbeit. Das gibt uns Kraft, in diesem Sinne weiterzumachen.
Und an dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei der Film- und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen, dem BKM, dem Deutschen Filmförderfonds, ARTE, dem WDR bedanken, die diesen Film unterstützt und ermöglicht haben. Dokumentarfilme zu machen bedeutet auch, Verbündete zu haben, Menschen, die diesen langen Weg mit uns gehen, mitgestalten und uns vertrauensvoll gewähren lassen.
Einer dieser Menschen ist unser Cutter Bert Schmidt, der teilweise mehr in unserem Material entdeckt hat, als wir es zu hoffen gewagt haben. Ein großer Dank an Bert Schmidt!
Und ein besonders großer Dank auch an unsere Redakteurin Dr. Sabine Rollberg von ARTE und Jutta Krug vom WDR. Beide sind heute hier, um diese Ehrung mit uns zu feiern. Und wenn man fünf Jahre an einem Film arbeitet, dann bedeutet das ein Stück Leben, mit all seinen Facetten, mit Höhen und Tiefen. Und wir empfinden es nicht als selbstverständlich, dass wir neben der fruchtbaren inhaltlichen Zusammenarbeit so viel Unterstützung, Anteilnahme und Hilfe erfahren durften. Ein herzlicher Dank dafür.
Bei unserem neuen Projekt gelangen wir vom Ruhrgebiet von Bochum nach Detroit. Irgendwie spüren wir da eine Verbindung der beiden Städte, der beiden Regionen. Beide sind auf der Suche nach einer neuen Identität. Und in Detroit kann man erleben, was es heißt, wenn man die geschlossenen Fabriken und die überflüssig gewordenen Menschen sich selbst überlässt. Und obwohl der grade neu gewählte Bürgermeister von Bochum für offizielle Anlässe den traditionellen Bergarbeitergruß abgeschafft hat, möchten wir der Johanna-Quandt-Stiftung, dem Kuratorium und allen Beteiligten mit einem herzlichen „Glück auf!“ danken.
- Die Journalistin Christine Keck nimmt den Preis stellvertretend für Wolfgang Bauer entgegen. Brauerei-Direktor Holger Fichtel (2.v.l.) begleitet sie.
Wolfgang Bauer wird für seine Reportage „Ein Prost auf Kim Jong Un“, erschienen im März 2015 im „ZEIT Magazin“, mit dem Herbert Quandt Medien-Preis in Höhe von 12.500 Euro geehrt.
Wolfgang Bauer erzählt die Geschichte eines bayerischen Bierbrauers, der als einer der ersten deutschen Unternehmer auf dem nordkoreanischen Markt Fuß fassen will. Besonders beeindruckt das Kuratorium die Zeichnung des zentralen Protagonisten:
„Der bayerische Brauer ist der Modellfall eines Unternehmers, der für sein Produkt und dessen Erfolg in einem vermauerten Markt bereit ist, das Unmögliche zu versuchen – er will die Grenzen des politischen und wirtschaftlichen Systems Nordkoreas überwinden, muss diese am Ende aber faktisch anerkennen.“
Zum Beitrag "Ein Prost auf Kim Jong Un".
- Horst von Buttlar
"Wolfgang Bauer erzählt Unternehmertum in Reinform"
Noch so eine unglaubliche Geschichte. Mit einem unglaublichen Zugang: "Ein Prost auf Kim Jong Un". Wolfgang Bauer ist nicht nur einem Unternehmer nahegekommen – was ja oft schwer genug ist –, es ist ihm auch gelungen, ihn auf einen der weißen Flecken des Kapitalismus zu begleiten: nach Nordkorea.
Allein das verdient Anerkennung und Respekt, denn Geschichten von dort sind rar – aber Wolfgang Bauer schildert nicht nur ein paar Zustände aus diesem Land, er fängt in Echtzeit Szenen ein wie aus dem Drehbuch über eines der letzten Kapitel des real existierenden Sozialismus. Allein die Verkostungsszene am Anfang des Textes, wo „von hell nach dunkel“ mit den Parteikadern die Biersorten getrunken werden, ist einfach großartig. Die Tatsache, dass sich offenbar Großteile der nordkoreanischen Bevölkerung in öffentlichen Trinkhallen fast jeden Tag umsonst bis zum Umfallen betrinken, ist bestürzend.
Darf man über dieses zweifelhafte Geschäft einfach so schreiben und es damit auch „adeln“? Die Ambivalenz, ja die Gewissensfrage, ob man dort Geschäfte machen darf, wird gekonnt thematisiert, ohne moralisierend aus jeder zweiten Zeile zu tropfen. Der bayerische Brauer Holger Fichtel ist sich dieses Dilemmas bewusst – aber als er sich dafür entschieden hat, legt er los. Bauer schildert packend seinen Kampf, den Antrieb zum nächsten Geschäft, die Hürden, die Hoffnungen, die Fortschritte und Rückschläge. Er erzählt Unternehmertum in der Reinform – und gleichzeitig in einer Extremsituation. Der Clash of Cultures könnte nicht größer sein.
Am Ende – wir haben es gerade gesehen – scheitert Herr Fichtel an den Grenzen des nordkoreanischen Systems – die Geschichte aber gelingt: Der Leser hat in einer kleinen Geschichte viel über das große Ganze gelernt. Ein unglaubliches Stück Kapitalismus. Gratulation an Wolfgang Bauer!
- Christine Keck verliest die Dankesworte von Wolfgang Bauer.
Vielen Dank. Vielen Dank, Holger Fichtel !
Ich freue mich außerordentlich, heute Abend hier zu sein und Wolfgang Bauer zu vertreten. Ich habe noch mit ihm heute telefoniert, übers Satellitentelefon, aus Misrata, wo er gerade im Einsatz ist für DIE ZEIT. Ihm geht es gut, er lässt Sie herzlich grüßen – und mir wäre es natürlich viel lieber, er wäre auch heute hier. Aber er hat ein Visum bekommen und wollte die Gelegenheit nutzen. Er hat mir noch ein Grußwort zukommen lassen und ich möchte es Ihnen nicht vorenthalten. Es sind ein paar politische Zeilen zu Nordkorea.
Das Böse. Wir dachten, wir haben es abgeschafft. Wir haben es aus unserem Weltbild entfernt, weil es das Böse so wenig wie das Gute gibt.
Das Böse ist Religion. Damit es existiert, müssen wir daran glauben. So hat die Filmindustrie den Teufel weitgehend aus ihren Drehbüchern verbannt, weil selbst das Popcorn-Publikum daran zweifelte. Doch ein Reservat haben wir dem Bösen auf der Welt noch gelassen – auf der von uns abgewandten Seite des Planeten, wo es dunkel ist, wenn bei uns die Sonne scheint: Nordkorea.
Wir glauben, dass die demokratische Volksrepublik Korea regiert wird von einem Irren mit einer Bombe. Die Einwohner sind Sklaven, das Land ein einziges großes Arbeitslager – der gefährlichste Diktator der Welt. Seine Frisur reicht den meisten von uns als Beweis seiner Absurdität. Nur wenige Informationen dringen aus ihm, über seinen Führerkult, Exekutionen und systemhafte Regressionen.
Doch so holzschnittartig die Bilder sind, die uns aus Nordkorea erreichen, so grob geschnitten ist auch unsere Politik gegenüber diesem Land. Kein Land der Welt ist so isoliert wie Nordkorea und kein Land wird von der Welt so isoliert wie Nordkorea.
Überraschend hartnäckig hält sich das Regime, dem nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ein rascher Untergang vorausgesagt wurde. Der Westen nahm damals an, er könnte die Dynastie der Kims mit wirtschaftlichem Druck niederzwingen. Weil ja auch die UdSSR an ihrer maroden Wirtschaft zerbrochen war.
Doch die Lehren der Vergangenheit erweisen sich manchmal als die Fehler von morgen.
Die Sanktionen greifen im Fall von Nordkorea nicht. Flugbenzin darf nicht mehr eingeführt, keine Kohle und seltene Erden ausgeführt werden. Jeder Lkw, jedes Schiff, das von Nordkorea kommt oder dorthin unterwegs ist, muss zuvor durchsucht werden.
Der Zahlungsverkehr wird ganz gekappt, Banken, die in irgendeiner Weise Verbindung nach Nordkorea haben, bestraft. Sanktionen werden das Raketenprogramm Nordkoreas aber nicht aufhalten. Das Regime hat genügend eigene Raffinerien, um das Kerosin für die Raketen herzustellen. Das neue Verbot trifft die Zivilbevölkerung, weil auf dem Land viele Menschen Kerosin in großen Mengen zum Kochen und Heizen verwendet haben: So wird ihre Not im nächsten Winter noch härter.
Ich – in dem Fall Wolfgang Bauer – reise seit 2005 regelmäßig in diesen Staat, ich werde begleitet auf Schritt und Tritt. Nur im Hotel lassen mich meine Betreuer alleine. 2005 musste jeder Spaziergang durch die Innenstadt der Hauptstadt Pjöngjang angemeldet werden, jetzt ist spontanes Flanieren möglich.
Vor zehn Jahren schwieg die Masse, der Fußgänger auf den Trottoiren. Jetzt plaudern die Leute, manche lachen sogar. 2005 sind viele vor mir weggelaufen, weil sie Angst hatten, mit Ausländern in Kontakt zu kommen. Jetzt läuft niemand mehr weg. Früher waren alle uniform, nun werden die Menschen bunt.
Ich behaupte nicht, dass das Regime weniger grausam geworden ist – aber ist nicht schon viel gewonnen, wenn die Bewohner dieses Landes in mir, dem Ausländer, nicht mehr das Grundböse sehen? Nicht Sanktionen haben dies bewirkt, sondern Austausch, ein ständiger Strom an westlichen und chinesischen Touristen, die es vor zehn Jahren in der Masse noch nicht gab.
Ein Vierteljahrhundert hat der Westen mit Sanktionen versucht, das Regime niederzuringen, diese Methode ist gescheitert. Nach 25 Jahren ist es nun an der Zeit, mal etwas Anderes zu probieren: eine Politik der Öffnung.
Wolfgang war es sehr wichtig, dass diese Worte Sie erreichen, und er lässt Sie ganz herzlich grüßen. Er bedankt sich und freut sich unglaublich über den Preis, der auch ganz wichtig ist in diesen Zeiten, wo Redaktionen drauf schauen müssen, was sie in ihre Blätter bringen, und wo solche Preise tatsächlich auch sehr viel Anerkennung bringen, auch in der ZEIT-Redaktion. Ich möchte mich auch bedanken und Ihnen noch einen wunderschönen Abend wünschen.
- Miriam Opresnik freut sich über den Herbert Quandt Medien-Preis.
Einen Medien-Preis in Höhe von 12.500 Euro vergibt das Kuratorium der Johanna-Quandt-Stiftung an Miriam Opresnik für ihre Reportage-Serie „Mein erster Laden“, die zwischen Oktober 2015 und Juli 2016 im „Hamburger Abendblatt“ erschienen ist.
Über neunzehn Tausend Menschen haben sich in Hamburg in 2014 selbständig gemacht – den schwierigen, aber auch erfüllenden Weg einer jungen Gründerin vom sicheren Bankjob zur Inhaberin eines veganen Feinkostgeschäfts in der Hansestadt zeichnen die Reportagen von Miriam Opresnik nach.
Das Kuratorium lobt die journalistische Idee hinter der Serie und hebt hervor:
„Die empathische Schilderung des Gründeralltags einer jungen Frau in seinen unterschiedlichen Stadien und vielen Facetten hat etwas Beispielhaftes: Miriam Opresnik erzählt sprachlich fesselnd und ausdruckstark nicht nur den Ablauf einer beruflichen Veränderung, sondern vor allem die Geschichte einer unternehmerischen Lebensentscheidung.“
Zur Serie "Mein erster Laden".
- Horst von Buttlar
Das Besondere im Alltäglichen
Miriam Opresnik wird geehrt für ihre Reportage-Serie „Mein erster Laden“, die seit Oktober 2015 im „Hamburger Abendblatt“ erscheint – und vor einer Woche beendet wurde. Doch lernen wir erst mal die Autorin kennen.
Wirtschaft ist kein fernes System, das von ein paar Managern und CEOs gemacht wird. Wirtschaft, das sind wir alle. Jeden Tag, ob wir nun einkaufen, verkaufen, Geld anlegen oder gründen. Zu oft aber bleibt die Wirtschaftsberichterstattung tatsächlich auf der Systemebene, berichtet über „Finanzmärkte“, die beunruhigt sind, oder über die „Digitalisierung“, die alles verändert.
Miriam Opresnik verlässt die Systemebene und wird in ihrer Serie ganz konkret – sie geht ganz nah ran, auf die kleinste mögliche Einheit: auf eine Gründerin. Jeden Tag machen sich in Deutschland Menschen selbständig – punktuell wird über sie berichtet: Wenn sie loslegen, wenn sie etwa einen Preis gewinnen – oder wenn sie scheitern. Aber viele dieser Geschichten bleiben so statisch und unsichtbar.
Miriam Opresnik bleibt dran und erzählt die ganze Geschichte, empathisch, unaufgeregt, fesselnd. Sie erzählt über Hoffnungen, den Stolz von Jennifer Hinze, etwas Eigenes zu machen, die Suche nach Mitstreitern und Angestellte, über entbehrungsreiche 15-Stunden-Tage, über die Geldsuche und Geldsorgen: Ein Mensch, der von A nach B geht und dabei frei wird – der Freiheit sucht, sie bekommt, aber mit ihr auch alle Sorgen und Herausforderungen.
Das Besondere liegt hier im Alltäglichen – ja, das ist Unternehmertum, unverfälscht und sehr nah berichtet. Die Gründerin hat vor einigen Tagen aufgegeben. Aber nicht verzagt oder verbittert. „Ich habe meinen Traum gelebt und bin froh darüber“, hat sie gesagt in der letzten Folge ihrer Serie. „Ich möchte später einmal sagen können, dass ich meinen Weg gegangen bin.“ Ein großes „Na und?“, ein schönes Beispiel einer gut gelebten Kultur des Scheiterns, die sich nicht am Ende sieht.
Wir möchten Miriam Opresnik – und übrigens auch ihre Protagonistin – ermutigen, diesen Weg weiterzugehen – gerade auch, weil wir wissen, wie begrenzt Ressourcen oft bei Regionalzeitungen sind. Viel zu oft bleiben Journalisten an ihren Geschichten nicht dran – und drangeblieben sind alle Preisträger heute. Einen herzlichen Glückwunsch an Miriam Opresnik!
- Miriam Opresnik
Sehr geehrte Familie Quandt, sehr geehrter Herr Casdorff, sehr geehrte Damen und Herren,
Oh, mein Gott ... seit Wochen hab ich mir überlegt, was ich in diesem Moment sagen will, und jetzt bin ich so überwältigt, dass mir nur eins über die Lippen kommt, nämlich: danke, danke, danke, danke.
Ich wünschte, Sie könnten genau das fühlen, was ich grade in diesem Moment fühle. Es ist einfach ein total überwältigendes, großartiges Gefühl, und ich hoffe, dass ich mich immer daran erinnern kann.
Dass ich hier stehe, habe ich vor allen Dingen Jennifer zu verdanken, die mich hat schwören lassen, dass ich ihren Namen nicht nenne, dass ich sie nicht irgendwie auf die Bühne bitte – das werde ich auch nicht tun –, aber ich werde sagen: Danke Jennifer, das ist auch dein Preis! Du hast mir wirklich gezeigt, was Unternehmertum ist, und dass man an seine Wünsche glauben soll, und dass man nicht gescheitert ist, wenn man mal hinfällt. Sondern dass es ums Aufstehen und Weitergehen geht.
Und ... ja, Jennifer hat gesagt, der Laden muss leider geschlossen werden, aber wir bleiben trotzdem an der Geschichte weiter dran. Wir wollen einfach wissen, was wird aus Jennifer und ihren Träumen, wird es irgendwann einen neuen „Grete Schulz“-Laden geben oder einen anderen Laden und ... ja, vielen, vielen Dank.
Es ist großartig! Danke.