Medien-Preis 2019
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
vor fast auf den Tag genau einem Monat ist unser Grundgesetz 70 Jahre alt geworden. Konrad Adenauer hat es als Präsident des Parlamentarischen Rates am 23. Mai 1949 in Bonn verkündet.
Wir können und dürfen mit Freude und auch in Dankbarkeit auf dieses wichtige Datum unserer Geschichte blicken: Unser Grundgesetz garantiert seit nunmehr sieben Jahrzehnten ein Leben in Frieden, Freiheit und auch Sicherheit.
Das Grundgesetz hat – obwohl es keine exakte Festlegung auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung trifft – auch den Grundstein für eine leistungsfähige und innovative Wirtschaft in Deutschland gelegt. Es hat Stabilität gegeben und dadurch eine Verlässlichkeit geschenkt, auf der eine Saat des Vertrauens in die Zukunft aufgehen konnte. mehr ...
Auszeichnungen für WDR/NDR/RBB/ARTE/Gebrüder Beetz Filmproduktion, Wirtschaftswoche, Capital und Handelsblatt Magazin
Der Herbert Quandt Medien-Preis 2019 geht an:
- Hans Block und Moritz Riesewieck für ihren Dokumentarfilm „Im Schatten der Netzwelt - The Cleaners“, ausgestrahlt auf ARTE und im Ersten
- Henryk Hielscher, Jacqueline Goebel und Mario Brück für ihre Reportage „Kauft das jemand oder kann das weg?“, erschienen in der Wirtschaftswoche
- Miriam Schröder und Thomas Tuma für ihre Reportage „Formel Zalando“, erschienen im Handelsblatt Magazin
- Georg Fahrion für seine Reportage „Operation Wüstenstrom“, erschienen in Capital.
Die Johanna-Quandt-Stiftung gratuliert allen Preisträgern ganz herzlich!
20.000 Euro Preisgeld für Hans Block und Moritz Riesewieck
Hans Block und Moritz Riesewieck erhalten den Herbert Quandt Medien-Preis für ihren Dokumentarfilm „Im Schatten der Netzwelt - The Cleaners“, ausgestrahlt am 28. August 2018 auf ARTE und am 11. September 2018 im Ersten. Der Preis ist mit einem Preisgeld in Höhe von 20.000 Euro dotiert. Die Autoren nehmen die Zuschauer mit in die unbekannte Welt von Zensur und Netzhygiene: Sie dokumentieren die belastende Tätigkeit von sogenannten Content Moderatoren, die im Auftrag der großen Social Media Plattformen das Internet nach unangemessenen Beiträgen und Bildern durchsuchen. Der Film überzeugte die Jury vor allem durch die verständliche und ansprechende Aufarbeitung des komplexen Themas sowie durch eine präzise Machart und seinen hohen journalistischen Anspruch: Hier werden keine einfachen Antworten, sondern Anregungen zum Nachdenken gegeben.
- Laudatorin Michaela Kolster
"Verlierer der Globalisierung"
Seit 2017 macht eine Sozialtheorie Furore, die die moderne Gesellschaft in sogenannte Anywheres und Somewheres unterscheidet: die mobilen Irgendwos und die sesshaften Dagebliebenen. Die einen die Gewinner der Globalisierung, die anderen die Verlierer.
Und es sind oftmals die Verlierer, die die Welt für die Gewinner aufräumen. Das ist beim Plastik- oder Giftmüll so, aber auch eben beim Aufräumen im Netz. Dienstleistungszentren jenseits des Jetsets in Schwellen- und Entwicklungsländern sind da entstanden, Zehntausende arbeiten dort, wie uns der Film „The Cleaners“ eindrücklich zeigt.
Wir wurden nach Manila geführt, wo Facebook, Twitter, Google, YouTube sein soziales Netzwerk säubern lässt. Säubern von all dem, was gegen Gesetze verstößt. Aber eben nicht nur. Oftmals sind auch Bilder dabei, die verbreitet werden sollten, weil sie Missstände aufdecken.
Die Cleaners sind da überfordert. Wie soll man bei bis zu 25.000 Bildern pro Arbeiter pro Tag unterscheiden zwischen Richtig und Falsch. Ich erinnere hier an meine Eingangsworte, an Artikel 5 unserer Verfassung „Freie Meinungsäußerung“: Wo fängt sie an und wo hört sie auf? Und wer entscheidet das?
Damit komme ich zu dem Erschreckenden, was uns dieser Film so eindringlich zeigt: Am Ende eines doppelten Outsourcings leisten anonyme Anywheres, was die Aufgabe von staatlichen oder von öffentlich legitimierten Kontrollinstanzen sein sollte. Der Film sensibilisiert den Zuschauer für den Rückzug staatlicher Gewalt aus der Kontrolle des Netzes und für einen grenzenlosen Aufstieg der Konzerne zur Macht.
Dieser Film hat uns vor Augen geführt, was wir nicht sehen wollen, aber unbedingt sehen sollten, und hier ist vor allen Dingen auch die Politik gefragt.
Wir freuen uns, dass Reinhardt Beetz, Geschäftsführer der gebrüder beetz filmproduktion, den Preis stellvertretend für die beiden Autoren entgegen nimmt.
Hallo nach Frankfurt!
Leider ist es uns nicht möglich, diesen Tag mit Ihnen persönlich zu verbringen. Ein schon lange vor der Bekanntgabe der Auszeichnung organisierter Dreh ließ sich nicht verschieben, und so verbringen wir hier diesen Tag in einer Kleinstadt in Rumänien, anstatt mit Ihnen in Frankfurt zu feiern.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Familie Quandt,
liebe Jury,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
vielen, vielen Dank für die Auszeichnung mit dem diesjährigen Herbert Quandt Medien-Preis. Wir freuen uns über die Anerkennung und sehen es als ein sehr positives Zeichen, dass die Juror_innen sich dafür entschieden haben, einen Film zu prämieren, der sich mit der Ausbeutung von Zehntausenden Arbeiter_innen in der New Economy beschäftigt.
Wenn wir ehrlich sind, dann hat die Auszeichnung zum diesjährigen Herbert Quandt Medien-Preis ein gewisses Zaudern in uns verursacht. Eines der wichtigsten Güter von Medienschaffenden ist ja ihre Unabhängigkeit, nur durch sie ist es möglich, sich bedingungslos an der Welt abzuarbeiten und sie mit größtmöglicher Kompromisslosigkeit und Konsequenz kritisch zu reflektieren.
Denn die schönste Glückseligkeit stellt sich durch größtmögliche Unabhängigkeit von äußerer Hilfe ein: Ich besitze nicht, damit ich nicht besessen werde. Aber leider lässt sich dieser Zustand von Glückseligkeit nicht ohne weiteres herstellen, und Filme wie „The Cleaners“ mit einer jahrelangen Recherche, mit Drehorten auf der ganzen Welt, mit unzähligen Menschen, die nötig waren, um am Ende aus einer Idee einen 90-minütigen Kino-Dokumentarfilm werden zu lassen, würden sonst niemals möglich werden.
Seit Jahren setzen wir uns mit der Frage auseinander, wer darüber entscheidet, was in der digitalen Öffentlichkeit vorkommt und was daraus verbannt wird. Soziale Netzwerke und Videoplattformen, auf denen Menschen innerhalb weniger Sekunden Millionen von Menschen erreichen können, haben sich längst zu einem machtvollen Instrument entwickelt, Menschen weltweit mit extremistischen Ideen zu infizieren, Hass zu säen und Gesellschaften zu spalten, während kritische Stimmen beim Arrangement der Plattformen mit autokratischen Regierungen immer häufiger unter die Räder kommen.
Mehr und mehr Verantwortungsbereiche, die bislang den Staaten überlassen waren, werden an die Privatwirtschaft ausgelagert. Es ist ein schleichender, nicht sichtbarer Prozess, den wir mit unserem Film offen befragt haben: Ist diese Entwicklung im Sinne der Gesellschaft? Was sind die Konsequenzen eines solchen Trends?
Solche Fragen lassen sich nicht leicht beantworten und Konzerne wie Google oder Facebook beispielsweise bemühen sich nach Kräften, ihre supranationale Macht mit ihrer enormen Innovativkraft und ihrem milliardenschweren sozialen Engagement zu legitimieren. Mit ihren Rekordinvestitionen, Forschungen und Entwicklungen sorgen die Internetgiganten dafür, dass die Menschheit etwa der Heilung tödlicher Krankheiten, der Bekämpfung des Hungers oder dem Zugang zu Bildung für alle Menschen endlich einen entscheidenden Schritt näher kommt.
Aber auch wenn die Unternehmen ihr soziales Engagement aufgeben, weil sie sich auf andere Marktsegmente konzentrieren wollen, weil die Weltverbesserung nicht mehr ganz ins Portfolio passt oder wie Aktionäre auf dickere Dividenden drängen – was wird dann aus den staatlichen Aufgaben, die die Politik Unternehmen überlassen hat. Wollen wir die Launen des Marktes über das Schicksal von Menschen entscheiden lassen, die auf Hilfe angewiesen sind?
Bevor sich diese Megakonzerne zu Wohltätern der Menschheit krönen lassen, sollten wir zuallererst einmal einen Schritt zurücktreten und fragen: Wie kann es sein, dass die Vermögensunterschiede auf der ganzen Welt täglich immer größer werden.
Extremismus, tief gespaltene Gesellschaft, das Wiedererstarken des Faschismus mitten in Europa, der Hass auf Minderheiten und Fremde, all das ist in Wahrheit eine fehlgeleitete Wut auf die himmelschreienden Ungerechtigkeiten, die dieses System jeden Tag produziert.
Wir werden uns in den kommenden Jahren als eine Art Phantasiebeschleuniger versuchen. Wir werden Denkblockaden einreißen, den Horizont erweitern, Aktivierungsenergien wecken … und mit Katalysatoren dürften Sie sich hier in diesem Saal auskennen. Wir wollen die Katalysatoren einer gerechteren Gesellschaft werden. Einer Gesellschaft, in der nicht die einen zu Lasten der anderen gewinnen, sondern in der alle davon profitieren, was die Digitalisierung als Geschenk bereithält: eine unbegrenzte Verfügbarkeit einer riesigen Zahl von digitalen Gütern, die nicht weniger werden, wenn man sie teilt. Die Teilhabe aller an den Produktionsmitteln von morgen, den Algorithmen und künstlichen neuronalen Netzen und nicht zuletzt am Kapital von morgen, unseren Daten.
Gerechtigkeit ist eine Empfindung, die darüber entscheidet, ob Menschen sich bekriegen oder kooperieren. Wir werden unsere filmische Arbeit der nächsten Jahre dem Kampf gegen diese Ungerechtigkeit widmen. Ihre Auszeichnung dient uns dazu als Anschubhilfe. Danke dafür.
Wir bedanken uns recht herzlich für die Auszeichnung und wünschen Ihnen allen einen angenehmen und inspirierenden Tag.
Im Anschluss Dankesworte von Herrn Beetz
Vielen Dank für die Auszeichnung. Ich halte mich kurz, weil es ja bereits eine Danksagung der beiden Autoren gab.Ich möchte mich vor allen Dingen bei den Stiftern und bei dem Kuratorium bedanken.
Gerne würde ich ganz kurz etwas zu dieser Arbeit erzählen wollen:
Besonders bei solchen investigativen Dokumentationen und Arbeiten, die heute ausgezeichnet wurden, weiß man natürlich nie so ganz genau, wo man landen wird und wie weit das denn alles geht. Es gab da eine erste Idee, was wir machen wollten, einen Oneliner, wie wir so sagen, gefolgt von einer ersten Spur. Und wie Sie gesehen haben, war diese Arbeit besonders journalistisch herausfordernd. Wir haben in Manila sehr viele Researcher unterwegs gehabt, aber auch in Nordamerika und an anderen Orten der Welt.
Es kam bereits kurz zur Sprache: Es ist der allererste Film für die beiden Autoren, die aus einem ganz anderen Bereich kommen. Auch das war natürlich eine kleine Herausforderung, und umso mehr freut es mich natürlich, dass dieser Film sehr erfolgreich ist und war und nach, ich glaube über 90 Festivalbesuchen und circa 25 internationalen Preisen, jetzt auch hier in Deutschland ausgezeichnet wird – vielen Dank dafür.
10.000 Euro Preisgeld für Henryk Hielscher, Jacqueline Goebel und Mario Brück
Henryk Hielscher, Jacqueline Goebel und Mario Brück werden für ihre Reportage „Kauft das jemand oder kann das weg?“, erschienen am 8. Juni 2018 in der Wirtschaftswoche, mit einem Preisgeld in Höhe von insgesamt 10.000 € ausgezeichnet. Dem Autorentrio gelingt es, eindringlich die Kehrseite des Online-Handels zu schildern und dabei auch das „retourenfreudige Konsumverhalten“ in Deutschland kritisch zu beleuchten. In verständlicher und geschliffener Sprache analysieren sie wirtschaftliche Faktoren und hinterfragen nachdenklich die neuen digitalen Geschäftsmodelle. Das Kuratorium würdigt zudem die beispielhafte Recherche-Kooperation der Autoren mit den Kolleginnen und Kollegen der ZDF-Magazinsendung „Frontal21“.
- Laudatorin Michaela Kolster
"Reparieren ist nicht mehr zeitgemäß"
Schon lange bilden die Bürger und Konsumenten der Industrienationen des globalen Nordens sogenannte Wegwerfgesellschaften. Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass es sich nicht lohnt, gewisse Artikel zu reparieren. Der Schlüsselbegriff für diese Wegwerfgesellschaft ist der Produktlebenszyklus. Für jeden Artikel gibt es einen statistischen Mittelwert, wie lange eine Waschmaschine, ein Flachbildschirm oder ein Laufschuh so halten soll. Für einige Produktgruppen nun verändert sich dieser Wert gerade dramatisch, wie wir gesehen haben. Immer häufiger wird für sie eine Null angesetzt.
Unbenutzte, neue Artikel werden vernichtet, welch ein Irrsinn. In Deutschland passiert das übrigens mit am häufigsten.
Es ist der Verdienst von Jacqueline Goebel, Mario Brück und Henryk Hielscher, auf diese Praxis aufmerksam gemacht zu haben, die im Schatten der allgemeinen Lebensmittelvernichtung bisher noch weitgehend unbekannt war. Aber die Autoren zeigen weiterhin noch mehr auf: Es ist nämlich ein verhängnisvolles Wirkungsgeflecht, was dort am Start ist: Onlinehandel, Gesetzgeber und Konsument bilden dabei gemeinsam das Bermudadreieck der modernen Produktvernichtung.
Die Geschichte hat Wellen geschlagen. Katrin Göring-Eckardt, die Grünen-Fraktionschefin, spricht von einer Perversion der Wegwerfgesellschaft. Hier sei der Staat gefordert und so will sie Versandhändler dazu verpflichten, zurückgeschickte Ware zu spenden oder anders zu verwerten. Aber genau da wirkt das Geflecht Gesetzgeber, Konsument und Onlinehandel. Denn mit dem Spenden ist das nicht so einfach: In Deutschland werden Sachspenden mit einer Umsatzsteuer belegt, und so ist die Vernichtung eben oft billiger.
Diese große Rechercheleistung und die bemerkenswert geschriebene Geschichte ist uns ein Herbert Quandt Medien-Preis und 10.000 Euro Preisgeld wert.
Herzlichen Glückwunsch an Jacqueline Goebel, Mario Brück und Henryk Hielscher.
- Mario Brück, Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher
Also, da wir zu dritt sind, beschränken wir uns auf eine Person, die redet. Wir möchten aber trotzdem noch sagen, dass wir es bedauern, dass Herr Quandt nicht der Wirtschaftswoche, sondern dem Manager Magazin das Interview gegeben hat.
Liebe Familie Quandt,
liebes Kuratorium,
liebe Kollegen,
liebe Freunde und Familie,
auch wir freuen uns, hier zu sein. Wir möchten uns heute aber zuallererst bei unseren Informanten bedanken.
Liebe Informanten, Sie wissen es, ohne Sie stünden wir nicht hier oben, ohne Sie wäre auch kein Artikel erschienen.
Wir haben Mitarbeiter gefunden, die bereit waren, uns nicht nur Informationen zu liefern, sondern sich auch mit ihrem Namen in die Öffentlichkeit zu stellen. Und ohne das wäre wahrscheinlich auch nicht die Debatte in Gang gekommen, die wir heute sehen. Ja, wir haben gerade gehört, Katrin Göring-Eckardt hat Retourenvernichtung öffentlich kritisiert, das Bundesumweltministerium hat angekündigt, dass es an einem Gesetzesentwurf arbeitet, um die Vernichtung von Retouren und von neuwertigen Artikeln einzuschränken. Und wir müssen sagen, es passiert leider nicht so häufig, dass eine Berichterstattung solche Wirkung entfaltet, und als wir und die Kollegen von ZDF Frontal21 diese Recherche begonnen haben, haben wir das auch nicht geahnt.
Und dass es dieses Mal nun eben diese Folgen gibt, das liegt eindeutig am Mut der Amazon-Mitarbeiter und -Betriebsräte, die uns Fotos und Belege geliefert haben. Weil sich nur dadurch dieses Ausmaß des Problems nicht wegdiskutieren und auch nicht relativieren ließ. Und nur deshalb haben Umweltschutzorganisationen das Thema aufgegriffen und nur deshalb diskutieren wir heute auch über eine Änderung der Gesetzeslage – übrigens auch über eine Änderung der Gesetzeslage, was eben die Besteuerung von Spenden angeht.
Auch einige unserer Informanten wollten heute kommen, was leider nicht geklappt hat. Ich hoffe, dass wir das noch irgendwie nachholen können. Und auch sonst, wer einige Informationen bereitstellen möchte ... wir stehen zur Verfügung, während der Veranstaltung, nach der Veranstaltung, jederzeit.
Und natürlich, wen wir auf jeden Fall noch ausdrücklich erwähnen müssen und bei denen wir uns sehr herzlich bedanken wollen, das sind die Kollegen von ZDF Frontal21: bei Christian Esser, Birte Meier und Astrid Randerath, denn ohne sie wäre die Recherche nicht möglich gewesen und es hätte auch nicht so viel Spaß gemacht. Also, die Kooperation von zwei Teams, das hat uns wirklich allen Freude bereitet.
Und außerdem wollen wir natürlich alle erwähnen, die an der Gestaltung unseres Textes, der prämiert worden ist, mitgewirkt haben; unser Fotoredakteur Patrick Schuch, der auch sehr viel Spaß an der Bebilderung dieses Themas hatte, und Simon Book, der den Text redigiert hat, und natürlich danken wir auch der Chefredaktion und der Ressortleitung für die Unterstützung, die uns die Zeit eingeräumt hat, dieser Recherche überhaupt nachgehen zu können.
Herzlichen Dank und von hier oben auch nochmal Gratulation an alle anderen Preisträger.
10.000 Euro Preisgeld für Miriam Schröder und Thomas Tuma
Miriam Schröder und Thomas Tuma erhalten für ihre Reportage „Formel Zalando“, die am 16. Februar 2018 im Handelsblatt Magazin erschienen ist, ein Preisgeld in Höhe von 10.000 €. Mit großer Recherchetiefe und in fesselnder Sprache erzählen die beiden Autoren nicht allein eine unternehmerische Erfolgsgeschichte – sie geben vielmehr erhellende Einblicke in die datengetriebene Funktionsweise des Plattformunternehmens Zalando. So wird, nach Auffassung der Jury, anschaulich und nachvollziehbar, wie sich aus der Formel „Mode, Technik und Logistik“ ein führender Lifestylekonzern entwickeln konnte. Ein Interview mit einem der selten öffentlich vernehmbaren Unternehmensgründer rundet die Reportage ab.
- Laudatorin Michaela Kolster
"Der Kunde gibt den Ton an"
Wie oft sprechen wir in diesen Zeiten von der digitalen Revolution, vom Strukturwandel, vom Transformationsprozess der Ökonomie und als Folge davon vom Wandel unserer Gesellschaft. Wahlweise werden dabei mit leichter Hand Bedrohungsszenarien entworfen oder aber Heilsversprechen abgegeben.
Den Autoren des Beitrags gelingt es durch eine journalistisch blitzsaubere Langzeitbeobachtung etwas sehr Bemerkenswertes: Denn ihre Beschreibung des kometenhaften Aufstiegs des Unternehmens ist mehr als nur die Erfolgsstory von Zalando, es steht Pars pro toto.
Sie beschreibt die „Formel Zalando“, und das Wesen einer Formel ist die Übertragbarkeit. Zalando ist eingeteilt in drei Bereiche: Mode, Technik und Logistik. Dabei ist es essentiell, schnell und unkonventionell auf die Kunden zu reagieren.
Der Kunde will die Ware nur abends – klar, das geht. Der Kunde will die Absätze höher, zwei Wochen sind zu lang, aber daran wird gearbeitet ... und so weiter und so weiter. Haben wir nicht, gibt es nicht, machen wir nicht – das war gestern, bei Zalando ist das anders.
Der außergewöhnliche Wert dieses Beitrags liegt darin, dass der Leser in die Lage versetzt wird, den Aufstieg eines Unternehmens aus der Beschreibung der modernen Konsumwelt heraus zu verstehen. Hier ist es gelungen, die Akteure der Wirtschaft mit ihren Sorgen und ihren Anliegen dem Konsumenten näherzubringen. Diese Nähe schafft Verständnis und vielleicht sogar Vertrauen für ein Unternehmen, und das ist notwendig.
Die Autoren machen allerdings auch sehr deutlich, dass es um mehr geht als nur um Mode, Technik und Logistik. Und da sind wir wieder bei der Übertragbarkeit. Der größte Schatz von Zalando sind letztendlich seine Daten. Hier gilt: Wissen ist Macht. Und das ist überlebenswichtig im Bereich E-Commerce.
Dieser Beitrag im Handelsblatt Magazin ist uns ein Herbert Quandt Medien-Preis und 10.000 Euro Preisgeld wert.
Und herzlichen Glückwunsch an Miriam Schröder und Thomas Tuma.
- Miriam Schröder, Thomas Tuma
Vielen Dank, liebe Frau Kolster,
vielen Dank, liebe Familie Quandt,
vielen Dank Ihnen allen, dass Sie heute gekommen sind und Ihre Zeit dem Qualitätsjournalismus widmen ... Bei dem schönen Wetter hätten Sie ja auch etwas anderes machen können.
Wir haben am Beispiel Zalando gesehen, wie Algorithmen die Art bestimmen, wie wir einkaufen und wie wir uns kleiden. Und künstliche Intelligenzen bestimmen heute ja nicht nur darüber, wie wir shoppen, sondern sie bestimmen alle möglichen Bereiche unseres Lebens – beispielsweise welche Krebstherapie wir bekommen oder ob wir einen Kredit erhalten oder nicht und teilweise auch, ob Menschen ins Gefängnis gehen oder nicht. Und ich glaube, es ist so, dass Unternehmen diese technologischen Entwicklungen treiben und dass sie Standards setzen, die großen Einfluss darauf haben, wie wir als Gesellschaft miteinander leben. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass wir diese Entwicklungen beobachten, beschreiben und auch kritisch betrachten, sodass wir darüber diskutieren können, wie wir in Zukunft miteinander leben wollen. Und nach welchen Standards und welche Werte wir leben wollen - auch in der neuen digitalen Welt.
Vielen Dank dafür, dass Sie das fördern und unterstützen.
Dann möchte ich noch jemandem danken, der heute nicht da ist – das ist mein Mann, weil er auf unsere kleinen Kinder aufpasst. Die Feministin in mir sagt, dafür muss man sich nicht bedanken, das ist selbstverständlich im Jahr 2019, aber die Realistin in mir sagt, das ist nicht selbstverständlich, das ist nicht überall so, dass man sich die Familienarbeit zu 50 Prozent, also gleichberechtigt, teilt. Bei uns ist das so und anders könnte ich diesen tollen spannenden Job nicht machen – dafür sage ich danke.
Und nicht zuletzt möchte ich mich auch beim Handelsblatt bedanken, meinem Arbeitgeber, und bei unserer Chefredaktion, die solche großen und intensiven Recherchen nicht nur fördert und fordert, sondern sogar mitarbeitet – wie mein Kollege Thomas Tuma, Mitglied unserer Chefredaktion, vielen Dank.
Wir wollen es ja kurz machen, es sind ja noch ein paar andere Reden, die werden alle viel länger als unsere ...
Ich möchte mich natürlich auch bei Herrn Quandt bedanken, bei den Vertretern der Quandt-Stiftung, bei meiner Frau, und natürlich, das ist ja ganz klar, bei Miriam, weil das Tolle an dieser Arbeit war, dass wir, glaube ich, uns sehr gut ergänzt haben. Miriam ist als IT-Expertin diejenige, die da bei Zalando, bei diesen jungen Menschen quasi mit den Bäumen spricht, und ich habe immer nach dem Wald gefragt. Und am Ende haben wir das alles zusammengeschmissen und dann wurde, glaube ich, ein sehr gutes Stück daraus.
Warum bedanke ich mich für dieses überschwängliche Lob auch besonders? Weil es eins unserer Babys betrifft – die „Formel Zalando“ ist im Handelsblatt Magazin erschienen. Das ist eines der vielen Projekte, die die Handelsblatt Media Group so in den letzten Jahren aufs Gleis gestellt hat. Es ist ein Magazin-Supplement, das keine eigene Redaktion und keine eigenen Räume hat. Ich presse es als Chefredakteur quasi aus der vorhandenen Handelsblatt-Mannschaft raus – verraten Sie’s nicht weiter, die haben nämlich da richtig Spaß daran, glaube ich – wie gesagt, acht Mal im Jahr machen wir das mittlerweile, und da motiviert natürlich so ein Preis unglaublich, intern wie extern. Wir sind uns da wohl alle einig, dass es diesen Qualitätsjournalismus eben auch in Zukunft geben muss. Und gerade in Zeiten, wo wir ganz viel über Digitalisierung reden und sehen, wie uns mit der Digitalisierung das Misstrauen entgegengebracht wird: Wir haben ganz viel mit Skepsis zu tun, mit Misstrauen, mit Argwohn, mit Ärger, oft auch mit Desinteresse - das ist eigentlich das Allerschlimmste, glaube ich, was uns entgegengebracht werden kann: Desinteresse – dass man uns gar nicht mehr für wichtig nimmt. Besonders in diesen Zeiten ist es wichtig, dass man auch solche Magazine macht. Wir haben beim Handelsblatt eine Menge solcher Projekte, die auch gegen die Mutlosigkeit angehen. Sie, Herr Quandt, haben das jetzt gerade in einem Interview angesprochen: Mutlosigkeit symbolisiert Passivität. Dem ist nichts entgegenzusetzen, das kann ich alles voll unterschreiben. Das Einzige, was mich gestört hat, ist, dass Sie das Interview nicht dem Handelsblatt gegeben haben, sondern dem Manager Magazin. Aber darüber reden wir noch ... jetzt nochmal danke schön. Die Nächsten sind dran. Vielen Dank!
10.000 Euro Preisgeld für Georg Fahrion
Georg Fahrion wird für seine Reportage „Operation Wüstenstrom“, erschienen am 21. Februar 2018 in Capital, mit einem Herbert Quandt Medien-Preis in Höhe von 10.000 Euro ausgezeichnet. Sein Beitrag ist eine spannende Nahaufnahme zweier großer Unternehmen im harten globalen Wettbewerb um lukrative Staatsaufträge – konkret geht es dabei um den Wiederaufbau des Stromversorgungsnetzes im Irak. Fahrion zeichnet die Chronologie der Ereignisse nach und verknüpft geschickt die Abfolge der Geschehnisse mit seinen in aufwändiger Recherche gewonnenen Erkenntnissen. Plastisch und spannend beschreibt er, wie sich eine Allianz aus Politikern und Wirtschaftsgrößen auf vielen unterschiedlichen Ebenen dafür einsetzt, den Auftrag für das jeweils eigene nationale Unternehmen zu sichern.
- Laudatorin Michaela Kolster
"Politik und Social Media"
Lange – und viele sagen zu lange – wurde in Deutschland über das zulässige Maß an Außenwirtschaftspolitik gestritten. Man erinnere sich an den Streit um entsprechende Äußerungen des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler im Jahre 2010, die sogar als Tabubruch galten. Damals ging es um die Sicherung von Wirtschaftsinteressen durch einen Bundeswehreinsatz am Horn von Afrika gegen Piraten. Für viele Deutsche hat die Einmischung der Politik in außenwirtschaftliche Belange ein ‚Geschmäckle‘. Dabei ist diese Art der Industriepolitik für andere Länder wie Frankreich, Großbritannien oder die USA ein tägliches Geschäft. Die USA leiten aus ihrem militärischen Handeln einen direkten Anspruch beim Wiederaufbau eines betroffenen Landes ab, so also natürlich auch im Irak, und das ganz offen.
Dass die Deutschen nun dazwischenfunken, hat zu einem bizarren Wettbewerb geführt. Denn Siemens ist hier nicht allein, sondern die Kanzlerin mischt aktiv mit. Und auch General Electric hat die Unterstützung vom Präsidenten persönlich. Donald Trump und Angela Merkel als Botschafter für Industrieaufträge im eigenen Interesse. So deutlich und letztlich offen ist das selten zu sehen. Und dieses komplexe Gefüge der Macht und der tägliche Wettstreit darum, das wird in diesem Artikel von Georg Fahrion deutlich und eindrücklich erzählt.
Wirtschaftliche Macht, politische Macht und die Macht der neuen Medien und wie sie gegenseitig miteinander wirken, diese spannende Geschichte wird mit dem Herbert Quandt Medien-Preis und 10.000 Euro ausgezeichnet.
Anmerken möchte ich dabei noch, dass Horst von Buttlar, der Chefredakteur von Capital, sich bei dieser Entscheidung in der Jury enthalten hat.
Herzlichen Glückwunsch an Georg Fahrion!
- Georg Fahrion
Vielen herzlichen Dank, das ist eine tolle Auszeichnung und natürlich eine tolle Anerkennung meiner Arbeit. Das Einzige, was mich heute ein bisschen betrübt, ist, dass Sie, Herr Quandt, nicht Capital Ihr Interview gegeben haben ... aber sonst könnte es mir heute kaum besser gehen.
Ich freue mich sehr über diesen Preis, ich freue mich auch besonders darüber, dass genau diese Geschichte ausgezeichnet worden ist, denn das ist eine Geschichte von der Sorte, wie ich sie eigentlich am liebsten habe: Es geht um die frisch erblühte Rivalität zweier alter Rivalen – das ist natürlich allein erzählerisch immer schon ganz dankbar –, es geht um eine hohe Summe, was den Reiz erhöht, herauszufinden, was da genau passiert ist. Und was mir besonderen Spaß gemacht hat, ist, dass diese Geschichte eben nicht nur in der Unternehmenswelt spielt, sondern auch in der Sphäre der internationalen Politik.
In der Sphäre ist ja eine neue Ära der nationalen Egoismen angebrochen und ich glaube, es ist wichtig, dass wir als Journalisten da genau hinsehen und versuchen, Transparenz herzustellen, denn in Deutschland und in der EU müssen wir uns ja auch die Frage stellen: Wie reagieren wir eigentlich darauf? Also, pochen wir nur auf ein level playing field und die Einhaltung etablierter Regeln oder müssen wir da selbst robuster auftreten? Ich selbst habe keine Antworten auf diese Fragen, aber man muss ja zumindest wissen, was in der Welt da draußen los ist, um diese Diskussionen führen zu können.
Ich muss mich natürlich auch bei allen Gesprächspartnern, also, ich muss nicht, sondern möchte mich bei allen Gesprächspartnern bedanken, die diese Recherche, diese Rekonstruktion ermöglicht haben. Zwei will ich herausgreifen – Herrn Oldenburger von GE, aus einem besonderen Grund: Wir hatten vor der Recherche telefoniert und eigentlich über ein ganz anderes Thema gesprochen. Und ich erwähnte dann nebenbei, die Sache Irak interessiert mich wirklich. Und er so, ja, das sei auch wirklich sehr interessant, aber da bräuchte man wohl Ressourcen, wie sie die New York Times hat, um das aufzudecken.
Es war als nette Neckerei gemeint und ich hatte ihm ja auch eine entsprechende Vorlage gegeben – aber das war dann so der Moment, wo ich gesagt hab: So, jetzt mach ich das wirklich.
Übrigens, was ermutigend ist in diesen Zeiten der doch geringer werdenden Ressourcen im Journalismus: Es stellt sich heraus, man braucht gar keine Ressourcen wie die New York Times, man braucht vor allem Geduld und man muss die Leute immer wieder anrufen und ihnen Mails schreiben und dann kommt man auch ans Ziel – und das, obwohl ich keine Kontakte im irakischen Staatsapparat und auch keine in den USA habe. Und es hat, mit langer Recherchezeit, doch geklappt.
Den zweiten Informanten, den ich erwähnen möchte, wenn auch nicht namentlich, ist eine Quelle, die mir mit Hilfe der amerikanischen Botschaft in Berlin vermittelt worden ist, und zwar im US-Außenministerium. Diese Person hat sich mit mir sehr offen und ausführlich über die Außenpolitik der Trump-Administration unterhalten, und zwar auch über Punkte, die wir auf unserer Seite des Atlantiks eher kritisch sehen. Da ist mir nochmals klar geworden, ja, solche Leute gibt es eben auch noch in den USA. Und bei allen Ethernet Effects und Angriffen auf die failing Fake News Media sollten wir das nicht vergessen.
Ich freue mich, dass meine Familie da ist. Meine Eltern und meine Schwester sind extra aus Zürich und Hannover gekommen, um sich heute mit mir zu freuen. Schön, dass ihr da seid.
Und last, but not least möchte ich meinem Chefredakteur und Mentor Horst von Buttlar danken, der mir vier Monate Zeit gegeben hat, um diese Geschichte zu recherchieren – und das ist nicht selbstverständlich. Ja, und auch dafür vielen Dank.